Das ist spannend: Eine Lamellenfassade, die nicht nur Schatten spendet, sondern selbst leuchtet. Zu ihrem 100-jährigen Geburtstag setzen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich auf Nachhaltigkeit im Umgang mit Energieressourcen. Die neue Netzleitstelle in Dietikon bei Zürich wurde in eine einzigartige außenliegende Sonnenschutzfassade aus dem Hause Colt International gehüllt: Die sorgt für energiesparenden Sonnenschutz und für faszinierende Leuchteffekte durch die Sonneneinstrahlung.
Der Bauprojektleiter Niklaus Keller bezeichnete die neue Netzleitstelle der Elektrizitätswerke Zürich (EKZ) als „Juwel“. Als er dies sagte, meinte er damit wohl eher das High-Tech-Innenleben der neuen Betriebsführungsstelle: Von hier aus wird die komplette Stromversorgung des Kantons Zürich gesteuert. Aber vielleicht spielte er auch auf einen anderen gleichwohl spannenden Effekt an. Denn wenn die Sonne über der Hauptstadt der Alpenrepublik am Abend niedrig genug steht, dann funkelt das weithin auffallende mehrgeschossige EKZ-Gebäude am Ufer des Limmat tatsächlich wie ein Juwel. Ursache für diese attraktiven Licht-Effekte ist die besondere Fassade des rotundenförmigen Gebäudes: Eine elegante Konstruktion senkrecht nebeneinander angeordneter Glaslamellen, die das eigentliche Gebäude umschließen wie eine zweite Haut.
Die Hauptaufgabe der Lamellenfassade ist es in der Tat, die Strahlen der Sonne zu reflektieren. Natürlich ging es den Architekten (Karl Steffen Architekten in Zusammenarbeit mit S+M Architekten/Zürich) und Planern (feroplan engineering ag) wie der ausführenden Firma Colt International hier nicht nur um funkelnde Gebäudeästhetik, sondern auch und vor allem darum, solare Wärme und blendendes Sonnenlicht vom Gebäudeinnern abzuwehren und weil die Sonne im Laufe des Tages ihren Einfallswinkel verändert, bewegen sich auch die Lamellen der Sonnenschutzanlage. Automatisch richten sie sich immer wieder nach dem jeweiligen Sonnenstand aus. Zu jeder Stunde zeigt das Gebäude auf diese Weise ein neues „Gesicht“.
Es ist das ausgewogene Verhältnis von Opazität auf der einen und relativer Transparenz auf der anderen Seite, welches die gewünschten Wirkungen der Lamellenanlage ausmacht. Die Lamellen sind in einem genau berechneten Maße lichtundurchlässig (opak), dass eine angenehme Abschirmung gegen direkte Sonneneinstrahlung garantiert ist. Gleichzeitig lassen sie so viel Licht ins Gebäudeinnere dringen, dass sich eine gesunde Tageslichtökonomie entwickelt und die Gebäudenutzer zugleich eine weitgehend freie Sicht nach außen haben – ein Faktor, der sich wesentlich auf das Wohlgefühl und die Behaglichkeit der Menschen auswirkt, die in der EKZ-Zentrale arbeiten.
Möglich wird diese Ausgewogenheit, weil die Züricher Planer sich für den Einsatz von doppelt bedruckten Glaslamellen entschieden. Die Lamellen bestehen aus 2 x 10 mm Einscheiben-Sicherheitsglas als Verbundsicherheitsglas, jede Lamelle ist oben und unten in einem U-Profil aus Aluminium eingespannt. Die Glasscheiben wurden im Siebdruckverfahren doppelt bedruckt: Außen weißgrau und innen schwarz, wobei die Bedruckung im VS-Glas eingeschlossen ist. Der Clou dieser Doppelbedruckung ist ihre Wirkung auf das menschliche Auge, das sich in diesem Fall gewissermaßen selbst „überlistet“: Es ignoriert bei der Durchsicht nach außen die dunklen Punkte und setzt die hellen zu einem neuen Bild zusammen. Gleichzeitig garantiert der Bedruckungsgrad von 80 % auf der anderen Seite einen optimalen Sonnenschutz.
Colt International konzipierte die Glaslamellenanlage der EKZ-Netzleitstelle in Dietikon für die Ost-, West- und Südfassade. Wie zwei überdimensionale Kiemenbänder, die zu atmen scheinen, legen sich die Lamellen so um die beiden Obergeschosse. Weil diese Obergeschosse selbst über das darunter liegende Geschoss auskragen, rückt die bewegliche Lamellenhülle für den Betrachter des Gebäudes in eine sehr exponierte Position.
Die gesamte Anlage ruht auf einem Aluminiumkanal und befindet sich vor der eigentlichen Gebäudefassade. Zwischen der Lamellenanlage und der Gebäudefassade befinden sich begehbare Wartungsroste. Insgesamt montierten die Fassadenbauer (Ernst Schweizer AG) auf beiden Etagen 177 Glaslamellen.
Ein dynamisches Fassadensystem wie das der Netzleitstelle in Zürich bedarf einer ausgereiften Lamellensteuerung. Nur so kann eine maximale Ausbeute von Tageslicht einerseits, optimaler Sonnenschutz andererseits erzielt werden, kann unangenehme Blendung durch direkte Sonnenlichteinstrahlung oder eine Überhitzung der Innenräume verhindert werden. Die Grundlage für die Nachführalgorithmik im Falle des EKZ-Gebäudes ist die Himmelsmechanik.
Unter Berücksichtigung des ortstypischen Sonnenverlaufs definierten die Steuerungsexperten von Colt International vorab insgesamt sieben Positionen für die Lamellenfassade. Mechanisch präzise wurde hierfür die jeweilige Sonnenposition ausgewertet und mit der Fassade zu einem individuell kalkulierten Lamellenwinkel verknüpft. Die Antriebsmechanik bewegt auf dieser rechnerischen Basis stets Gruppen von sechs Lamellen.
Bei der automatischen Nachführung der Sonnenschutzanlage kommen dann unterschiedliche „Strategien“ zum Tragen. Dabei spielt der Beschattungswinkel – die Lamellen richten sich stets senkrecht zur Sonnenstrahlprojektion aus – ebenso eine Rolle wie eine vordefinierte „Bewölktstellung“ für Zeiten mit schlechter Witterung. Diese Einstellung greift immer dann, wenn die Sonne dauerhaft von Wolken verdeckt ist, wenn sie aus der betrachteten Fassade wegdreht und in den Wintermonaten, wenn es um die Sicherung passiver Sonnenenergie geht. Eine spezielle Nachtstellung, bei der die Lamellen komplett geschlossen sind, sorgt dafür, dass das Gebäude während der Nacht nicht auskühlt.
Die Sonnenschutzanlage der neuen Netzleitstelle der EKZ ist ein wesentlicher Baustein eines ganzen Energiekonzeptes, mit dem die Züricher Elektrizitätswerke zu ihrem 100-jährigen Jubiläum im Jahr 2008 ein Zeichen setzten. Über das gesamte Jubiläumsjahr verteilt kamen mehrere Tausend Besucher zu Ausstellungen und verschiedenen Spektakeln, die allesamt unter dem Motto „100 Jahre Zukunft“ standen. Alle Events thematisierten die Bedeutung der Stromversorgung und den Stellenwert der Energieversorgung im der heutigen Gesellschaft. Da erscheint es nur konsequent, dass die EKZ sich selbst eine neue hochmoderne zentrale Leitstelle schenkten, deren Energieversorgung dank Ausschöpfung unterschiedlichster Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung die „Mindestenergiestandards“ erfüllt.