Bei der Nycomed GmbH bewegt sich was, und zwar gleich die gesamte Fassade des neuen Firmengebäudes in Konstanz. Wie von Zauberhand geführt richtet sich eine Glaslamellenfassade, die das komplette Gebäude umspannt, nach dem Sonnenstand und reagiert automatisch auf die aktuelle Wetterlage. Keine Zauberei, sondern umweltfreundliche und energieeffiziente Ingenieurleistung aus dem Hause Colt International.
Mit ein wenig Phantasie und geübten Trapperaugen könnte man mit einem Blick auf das neue Firmengebäude der Nycomed GmbH in Konstanz die Uhrzeit feststellen. Denn die Glaslamellen, die das komplette Gebäude wie eine zweite Haut umschließen, richten sich automatisch nach dem Sonnenstand. Der imposante gläserne Quader, den das dänische Pharmaunternehmen hoch über dem schwäbischen Meer baute, sollte freilich keine überdimensionale Sonnenuhr werden, sondern ein energieeffizientes Bürogebäude, in dem vor allem Forschung und Entwicklung untergebracht sind. Die bewegliche Glaslamellenfassade leistet einen maßgeblichen Beitrag dazu, dass der Primärenergiebedarf und damit die CO2-Emissionen reduziert werden. Der Energiebedarf der Bürobereiche liegt unter 80 kWh. Diese Bilanz kann sich für einen Gebäudekomplex mit einem Brutto-Rauminhalt von rund 90.000 Kubikmetern, in dem sich mehr als 500 Büros, Konferenzbereiche und ein Restaurant befinden, sehen lassen.
Die Planer des Nycomed-Lamellenhauses, Petzinka Pink Architekten aus Düsseldorf, setzten in Konstanz nicht auf kostspielige Klimatechnik, sondern wollten den Einfluss des Wetters aktiv nutzen. Sie gaben dem freistehenden und weithin sichtbaren Gebäude (Grundfläche ca. 60 x 60 Meter) eine bewegliche zweite Haut aus Glaslamellen, deren Position sich nach dem Sonnenstand richtet und das zudem aufgrund einer ausgeklügelten Steuerung auch Wind- und Temperaturverhältnisse berücksichtigt.
Die gewünschten Folgen: Optimaler Sonnenschutz, Nutzung der natürlichen Energieressourcen und eine traumhafte Lichtökonomie im Gebäudeinnern. Mit Colt International fanden die Planer einen versierten Partner mit internationaler Erfahrung für die Realisierung einer solchen ehrgeizigen Konstruktion.
Mehr als 680 Glaslamellen umschließen alle vier Gebäudeseiten über vier Stockwerke. Sie sind geschosshoch (3,20 Meter) und 1,35 Meter breit. Die Lamellen sind rahmenlos, was für einen optischen Gesamteindruck von Leichtigkeit und Transparenz sorgt. Oben und unten sind die Glaselemente in U-förmige Haltprofile aus Edelstahl geklebt und gelagert, außerdem zusätzlich mit Schrauben gesichert und über Achszapfen vertikal drehbar. Die senkrechten Glaskanten sind frei. Die Achszapfen lagern in horizontalen LM-Hohlkastenprofilen (mehrteilige Aluminium-Strangpressprofil-Verkleidung). Die Achsen der Glaslamellen liegen rund 70 cm vor der thermischen Fassade des Gebäudes. Sind alle Lamellen geschlossen, so beträgt die Fugenbreite zwischen den Glaselementen ca. drei Zentimeter. Sämtliche Lagerstellen und Getriebebauteile sind auf Lebensdauer geschmiert und somit wartungsfrei.
Beim Glas selbst handelt es sich um eine Sonnenschutz-Sonderverglasung: Zwischen zwei 10 mm dicke Schichten Einscheibensicherheitsglas (Floatglas) ist ein 1,52 mm dicke PCB-Folie eingeschlossen. Das Glas ist zu 60 Prozent bedruckt, somit gibt es bei einer geschlossenen Positionierung der Lamellen gleichermaßen guten Blendschutz als auch eine freie Durchsicht.
Jeweils sechs Glaslamellen werden mit einem geräuscharmen Getriebemotor (Schutzklasse IP 44) angetrieben. Die maximale Drehgeschwindigkeit beträgt 10mm/sec an der Lamellenaußenkante.
Das unsichtbare „intelligente“ Herzstück der Lamellenanlage ist die multifunktionale Steuerungstechnik. Ein modular aufgebautes zweiadriges verpolungssicheres Bussystem kombiniert eine Reihe unterschiedlicher betriebstechnischer Funktionen:
Über einen zentralen Helligkeitssensor wird die Außenhelligkeit in einem Bereich von 360 Grad erfasst. Die Sonnenautomatik wird bei Erreichen eines voreingestellten Helligkeitsgrenzwertes aktiv und bewegt die Lamellen entsprechend, dabei berücksichtigt sie stets den aktuellen Sonnenstand (Azimut und Elevation, keine Datentabelle). Vor den Fassaden ohne Sonneneinstrahlung bleiben die Sonnenschutzlamellen geöffnet. Wird der Helligkeitswert unterschritten, so fahren die Lamellen nach einer Zeitverzögerung ein. Eine spezielle Nachlaufsteuerung passt den Stand der Lamellen nach dem jeweiligen Sonnenstand an und sorgt auf diese weise für einen möglichst großen Lichteinfall bei gleichzeitigem Blendschutz.
Ein zentraler Temperatursensor erfasst die Außentemperatur und übermittelt diese an die zentrale Steuerung, wo Grenzwerte definiert sind. Ist die Minimaltemperatur erreicht, so schaltet das Beschattungssystem ab, die Lamellen werden geöffnet und die Sonnenenergie zur Erwärmung des Gebäudes genutzt. Bei Maximaltemperatur greift wieder die Sonnenautomatik. Ein Hitzeprogramm vergleicht zudem laufend die Innen- und Außentemperatur und reagiert nach einem vordefinierten Quadrantensystem („außen warm, innen warm“, „außen warm, innen kalt“, „außen kalt, innen warm“ „außen kalt, innen kalt“).
Wind- und Niederschlagsautomatik greifen bei extremen Witterungsbedingungen in die Steuerung der Anlage ein. Andere automatische Steuerungen oder auch manuelle Eingriffe werden gesperrt, die Anlagen werden in eine Sicherheitsstellung gefahren und erst nach „Normalisierung“ der Wetterlage wieder freigegeben. Als Orientierung für diese Sicherheitsautomatik werden Windgeschwindigkeiten in der zentralen Steuerungseinheit einprogrammiert. Eine spezielle Einstellung in der Steuerung verzögert den Regenalarm, damit nicht bei dem geringsten Niederschlag die komplette Anlage zurückgefahren wird. Durch dieses „Mitdenken“ werden unnötige Bewegungen der Lamellenanlagen bei schnell wechselnden Wetterverhältnissen vermieden. Und damit nach einem Regenguss die ungetrübte Sicht ins Freie wieder schnell hergestellt ist, sorgt eine integrierte Heizung für ein rasches Abtrocknen unerwünschter Regentropfen.
Damit die individuellen Wünsche der Menschen, die im Nycomed-Lamellenhaus arbeiten, optimal berücksichtigt werden, kann jeder Antrieb zusätzlich einzeln oder in einer Gruppe über einen konventionellen Taster in eine beliebige Position gefahren werden. Die Brandmeldeanlage kann mit der Steuerung der Lamellenanlage gekoppelt werden, sodass im Brandfall alle Anlagen automatisch auffahren und sperren – ganz gleich welches Wetter oder welche Temperatur gerade herrschen, ob die Sonne scheint oder ob es manuelle Steuerungsversuche gibt.
Die Fassade des Nycomed-Gebäudes in Konstanz steht nur selten still. Die Planer wollten die Natur in die Architektur des exponierten Bürokomplexes für den dänischen Pharmakonzern einbeziehen, als sie sich für die „intelligente“ Lamellenfassade entschied. Dank der verlässlichen und sehr flexiblen Technik aus dem Hause Colt International ist dies gelungen. Und noch etwas ist gelungen: Die Region um Konstanz ist um eine attraktive und erstaunliche Landmarke reicher geworden, die dem Betrachter gewissermaßen schon von weitem „zuwinkt“.